Zukunfts-Bauer

von lönneker & imdahl rheingold salon

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Zukunfts-Bauer

von lönneker & imdahl rheingold salon

Im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben ist ein Artikel über die rheingold salon-Studie „Die Landwirtschaft nach dem Corona-Schock“ erschienen. Der ganze Artikel im Wortlaut:

Die Zukunft-Bauer

Bietet sich der Landwirtschaft die Chance, im Zuge der Corona-Pandemie neue Wertschätzung in der Gesellschaft zu finden? Eine Studie weckt Hoffnung.

von Anselm Richard

Einfach ist die Botschaft nicht. Aber sie vermittelt doch den Eindruck, dass die Fronten zwischen den Landwirten und dem Rest der Gesellschaft aufgeweicht werden könnten. Vielleicht gelingt es in Zukunft tatsächlich, in der Bevölkerung neue Wertschätzung für die Landwirtschaft zu wecken und dauerhaft zu verankern.

Parallelwelten

Jens Lönneker, Psychologe und Geschäftsführer des Unternehmens rheingold salon in Köln, kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Corona-Krise für die Landwirtschaft eine Chance darstellt. Dabei werden Wahrheit und bisherige Wahrnehmung zwar nicht auf den Kopf gestellt, aber es kommt doch Bewegung auf. Die Ausgangslage stellt sich nach Lönneker so dar, wie er bei der WLV-Vorstandssitzung am 8. Oktober erklärte: Die Landwirtschaft hat sich im Laufe der Zeit immer weiter von der Allgemeinheit entfernt und ist in deren Alltagswirklichkeit kaum präsent. Es fehlen Kontaktpunkte, und so leben beide Seiten wie Parallelwelten nebeneinander her. Die Bilder von der jeweils anderen Seite entsprechen nur selten der Realität. Höchst problematisch ist dabei, dass sich Landwirte und Bevölkerung gegenseitig beschuldigen, überholte Bilder von der Landwirtschaft zu haben. Bauern werfen den Verbrauchern Naivität vor, weil sie angeblich dem Ideal einer Bullerbü-Idylle nachhängen. Die Verbraucher wiederum klagen die Bauern der Ausbeutung und Zerstörung der Natur an.

Und weil die Konsumenten erwarten, dass die Landwirtschaft sich verändert, ohne dass es Nachteile für die Verbraucher gibt, die Bauern aber sich von den Verbrauchern zur „Ausbeutung“ getrieben sehen, schieben sie sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Die meisten Verbraucher nehmen die Landwirtschaft in ihrem Alltag nicht oder nur selten wahr.

Letztlich glauben beide Seiten, im Recht zu sein, die richtige Sichtweise zu haben. In der Verantwortung stehen stets die anderen. Auch mit der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fakten lässt sich der Teufelskreis nicht durchbrechen. Schon häufig sind Verbraucher danach gefragt worden, ob und wie viel sie bereit wären, mehr für Lebensmittel auszugeben, wenn im Gegenzug die Produktion nachhaltiger und umweltfreundlicher würde. Die rheingold salon-Studie belegt: 15 % der Verbraucher sagen schlichtweg „nein“, weitere 29 % der Befragten würden. Höchstens 5 % mehr ausgeben als bisher, noch einmal 32 % wären bereit, 10 % höhere Preise zu bezahlen. Also drei Viertel der Konsumenten mit höchstens (!) 10 % Zuzahlungsbereitschaft. Das ist ernüchternd.

Fünf verschiedene Modelle

Um diesen insgesamt unguten Kreislauf zu durchbrechen, müssen neue „Narrative“ gefunden werden, die verfestigte Bilder erweitern und eine Basis schaffen, die beide Seiten mitnimmt. Als Narrativ (lateinisch: narrare = erzählen) werden sinnstiftende Darstellungen von zusammenhängen bezeichnet, die Einfluss haben auf die Art, wie die Welt wahrgenommen wird. Neue Narrative sollten laut Lönneker

  • veraltete Vorstellungen der Verbraucher von der Landwirtschaft modernisieren,
  • den Verbrauchern weiterhin ein attraktives Idyll sowie eine Vorstellung von Lebensqualität vermitteln und
  • die Landwirte als wirtschaftende Manager, ausgezeichnete Experten und somit als Teil der Allgemeinheit anerkennen.

Was die Landwirte und ihre Familien tatsächlich leisten und was ihre Aufgaben sind, davon haben sie selbst meist eine klare Vorstellung. Die Verbraucher ebenfalls, aber eben nicht immer dieselbe. Lönneker hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen verschiedene Varianten der Narrative entwickelt bzw. herausgefiltert und dafür die Zustimmung bzw. Ablehnung sowohl bei Landwirten als auch Verbrauchern abgefragt. Im Wesentlichen geht es um fünf Modelle:

  1. Die Ernährer bzw. die Garanten der Versorgungssicherheit.
  2. Die Bewahrer der Schöpfung.
  3. Die regionalen Identitätsstifter-
  4. Lebensqualität.
  5. Die Zukunftsgestalter.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die „Zukunftsgestalter“ haben bei den befragten Verbrauchern die größten Zustimmungswerte erhalten. Auch die Landwirte konnten sich damit sehr gut identifizieren. Dahinter stehen folgende Aussagen, die für das Narrativ wesentlich sind:

  • Landwirtschaft heißt Zukunft gestalten. Wenn die Zukunft für immer mehr Menschen gesichert werden soll, können Umwelt, Böden und Vieh nicht immer weiter so ausgebeutet werden, dass sie dauerhaft geschädigt werden.
  • Landwirtschaft der .Zukunft bedeutet daher mehr als Ertragssteigerung. Schon jetzt produziert die Landwirtschaft erneuerbare Energien, entwickelt zum Beispiel Kartoffelzüchtungen für Salzböden oder arbeitet an Steigerungen der Bodenqualität mit dem Ziel, weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen zu müssen.
  • Landwirtschaft war schon immer aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien. Die Kombination alten Wissens und moderner Technik kann Nachhaltigkeitsaspekte stärken und Umwelt bewahren, ohne dass diese zulasten der Produktionsmengen gehen muss. Technik und Landwirtschaft könnten also in der Zukunft mehr denn je miteinander harmonieren.“

Der Sozialforscher Jens Lönneker erklärt, warum Bauern und Verbraucher, wie er es nennt, auf einen gemeinsamen Nenner kommen können: Die Landwirte fühlen sich in einem attraktiven Bild erkannt, das über die veraltete Bullerbü-

Vorstellunghinausgeht. Und die sehen sich als Experten und Ernährer angenommen.

Ein neuer Ansatz

Die Verbraucher erkennen an der Landwirtschaft ei.ne neue Seite, die ihnen bisher nicht bewusst ist. Technische Entwicklung eröffnet die Möglichkeit, nachhaltig und schonend zu wirtschaften, ohne dass Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gefährdet werden. Nicht nur das Wortspiel, das hinter dem Begriff Zukunft-Bauer hervorlugt (Wir bauen die Zukunft/Wir sind die Bauern der Zukunft), gefällt ·den Landwirten. Sie fühlen sich in ihrem Selbstverständnis bestätigt. Die Verbraucher wiederum werden von neuen Aspekten der Landwirtschaft überrascht und nicht immer wieder in die Rolle der Bullerbü-Liebhaber gedrängt. Deshalb, so Lönneker, bietet dieses Narrativ das Potenzial, das Bild der Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Das ist ein neuer Ansatz. Vergessen darf man bei der Diskussion über das Verhältnis von Landwirten und Verbrauchern jedoch nicht, dass der Absatz der erzeugten Lebensmittel zum ganz überwiegenden Teil nicht direkt erfolgt, sondern über Weiterverarbeiter (Schlachter, Fleischwarenhersteller, Molkereien, Mühlen, Bäckereien usw.) sowie letztlich über den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Wichtigstes Kriterium beim Einkauf ist für den LEH immer noch der Preis, danach kommt lange nichts. Jedoch werden immer mehr auch Ökologie, Nachhaltigkeit, Regionalität usw. in den Vordergrund gestellt. Dabei geht es dann um neue Angebotsformen oder Zukunftstechnologien. Lönneker und seine Mitstreiter empfehlen den Organisationen der Landwirte, zunächst sozusagen intern ihre Kräfte zu bündeln, um das Bild der Zukunfts-Bauer erfolgreich umsetzen zu können. Im zweiten Schritt müsste die Öffentlichkeitsarbeit strategisch darauf abgestimmt und koordiniert werden. Und als Drittes sollte ein Zentrum für die Beziehung und die Kooperation mit dem LEH bzw. den Weiter- und Zwischenverarbeitern eingerichtet werden,

Raus aus der Defensive

Klar ist, dass der LEH nicht umgangen werden kann. Aber wenn die Landwirtschaft mit der Verbraucherschaft ordentlich kommuniziert und dort Themen setzt, auf die der Handel reagieren muss, dann wird man auch dort Kooperationsbereitschaft finden, meint Lönneker. Das schafft eine andere Verhandlungsposition. Ohne Verbündete wird das Konzept der Zukunft-Bauer nicht funktionieren. Idealerweise wäre eine Verbraucherorganisation mit im Boot. Dafür müssten aber noch .einige Vorbehalte oder Vorurteile abgebaut werden.

„Eine Chance, aber kein Selbstläufer“

Welche Möglichkeiten bietet das Bild der „Zukunft-Bauer“ für die Landwirtschaft? Antworten vom Autor der Studie, Jens Lönneker.

Dürfen sich die Landwirte und ihre Familien freuen? Gibt es wirklich eine neue Wertschätzung für

die Landwirtschaft, seitdem die Corona-Pandemie um sich greift?

Die Frage lässt sich mit einem klaren „Jain“ beantworten: Denn die Landwirtschaft erzielt einerseits in der Corona-Krise immerhin genauso hohe Wertschätzungswerte wie die Wissenschaft. Sie wird besser bewertet als Spediteure und die Politik. Außerdem erhält die Aussage, dass sich der persönliche Blick auf die Landwirtschaft verändert hat und ihr mehr Bedeutung eingeräumt wird, bei 72 % der Deutschen Zustimmung. Andererseits sind die Wertschätzungswerte für medizinische Leistungen deutlich höher. Und auch der Handel punktet bei den Bürgern klar vor der Landwirtschaft. Die Zustimmung zur Aussage, dass die Landwirtschaft an Bedeutung gewonnen hat, ist verhalten: 44 % sagen, dass sie „eher zustimmen“.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Corona eröffnet Chancen zu einem neuen wertschätzenden Blick, aber damit es auch dazu kommt, muss die Landwirtschaft etwas tun. Es ist kein Selbstläufer.

Warum funktionieren Bilder wie „Die Ernährer“ oder „Die Schöpfungsbewahrer“ bei den Verbrauchern nicht? Landwirte sind überzeugt davon, dass sie genau das sind und dass diese Bilder ihre elementaren Aufgaben beschreiben.

Die deutschen Landwirte sind aus Sicht der Bürger zwar grundsätzlich Ernährer-aber in einer globalisierten Welt eben nicht allein. Als Verbraucher sind sie sich sicher, dass ihr Supermarkt im Zweifel deutsche Produkte durch andere ersetzen kann, wenn es hartauf hart kommt. Außerdem glaubt niemand, dass die deutsche Landwirtschaft komplett ausfallen wird und wie rund um den 2. Weltkrieg alle Hunger leiden. Ausfälle in einzelnen Sparten sind aus Sicht der Bürger aber ersetzbar.

Das Thema Schöpfungsbewahrer ist vielen dagegen zu „rückwärtsgewandt“ in einer Zeit, in der es um unsere Zukunft geht. Ein Teil findet zudem, dass die Landwirtschaft nicht nur bewahrt, sondern auch schädigt. Die elementaren Aufgaben der Landwirtschaft werden mehr in der Zukunftsgestaltung gesehen.

Wie lassen sich die Parallelwelten von Landwirten und Verbrauchern miteinander verzahnen? Wer wenig vom anderen weiß, versteht dessen Welt nicht. Kann reine PR hier tatsächlich helfen?

Es gibt leider nur noch so wenig Berührungspunkte zwischen beiden Welten, dass sich Vorurteile und falsche Diskriminierungen bilden. Wichtig sind daher neue „Brücken“ zwischen Landwirten und Verbrauchern.

Ein spannendes und überraschendes Feld für eine „Brücke“ war, dass sowohl Landwirte wie Verbraucher ein großes Interesse daran zeigen, dass die Landwirtschaft sich mit faszinierenden, innovativen Konzepten an einer positiven Gestaltung der Zukunft beteiligt: Nur knapp 30 % der Befragten in beiden Gruppen halten die Landwirtschaft aktuell für zukunftsorientiert, aber doppelt so viele – also mehr als 60 % in beiden Gruppen – wünschen sich eine zukunftsorientierte Landwirtschaft.

Sie plädieren für den Aufbau eines Zentrums für die Beziehung und Kooperation zwischen Landwirtschaft und Handel bzw. der verarbeitenden Industrie. Wie muss man sich so eine Instanz vorstellen und welche Aufgaben soll sie haben?

Wenn es um die wirtschaftlichen Beziehungen geht, sind nicht nur die Bürger, sondern eben vor allem der Handel und die verarbeitende Industrie die entscheidenden Player. Die Bürger kaufen überwiegend das, was im Supermarkt erhältlich ist. Daher halte ich es für wichtig, den Handel als wichtige und einflussreiche Zielgruppe zu sehen, der sich ja auch die verarbeitende Industrie stellen muss. Hier hilft eben nicht nur allgemeine Öffentlichkeitsarbeit. Die Landwirtschaft muss die Bedürfnisse des Handels verstehen und ihm gegenüber fundierte Positionen beziehen können. Ein Zentrum kann dabei helfen. Seine potenziellen Themen- und Aufgabenfelder sind vielfältig: Preisgestaltung, Logistik, Konfektionierung, Marketing, Bildung von Allianzen und vieles mehr.

Wer hat wen befragt, wer finanziert?

Die Studie ,,Wertschätzung für die Landwirtschaft nach dem CoronaSchock“ wurde durchgeführt von der „Lönneker & lmdahl rheingold salon GmbH & Co KG“ m Köln Wesentliche Bestandteile der Untersuchung waren Online-Gruppen- und Einzelinterviews sowie Online-Befragungen von 500 Verbraucher(inne)n (repräsentativ) sowie mehr als 100 Landwirt(inn)en im Sommer dieses Jahres. Finanziert wurde die Untersuchung von der Stiftung Westfälische Landschaft vom Deutschen Bauernverband sowie von der Stiftung LV Münster des Landwirtschaftsverlages.

Bildhinweis: sompong_tom – stock.adobe.com