“Ich bin ein Kind meiner Zeit. Ich will alles.”

von lönneker & imdahl rheingold salon

frauen & männer, veröffentlichungen

“Ich bin ein Kind meiner Zeit. Ich will alles.”

von lönneker & imdahl rheingold salon

Im Interview mit marktforschung.de im Rahmen der Serie “Frauen in der Marktforschung” spricht Ines Imdahl über ihren Werdegang, ihre Forschungsarbeit und über ihre Ansprüche an sich selbst.

marktforschung.de: Frau Imdahl, Sie leiten mit Ihrem Mann den rheingold salon und haben vier gemeinsame Kinder. Wie haben Sie das organisiert?

Imdahl: Tatsächlich habe ich immer voll gearbeitet – jeweils 8 Wochen nach der Geburt ging es wieder los. Mein Mann und ich haben uns sowohl die Leitung des Unternehmens als auch die Kinderbetreuung immer geteilt. Wir arbeiten abwechselnd 6 bzw. 10 Stunden. Am jeweils kurzen Tag betreut man die Kinder, am langen kann man reisen, Gruppen moderieren etc. So sehen wir jeden zweiten Nachmittag die Kinder – und können dennoch Vollzeit arbeiten. Ich gebe aber zu, dass wir an den langen Tagen auch mal 12 oder 14 Stunden arbeiten und oft noch abends und stundenweise am Wochenende. Und unsere beiden Assistentinnen müssen sehr genau koordinieren, dass immer alles passt.

marktforschung.de: Ist die Marktforschungsbranche eine Männerwelt? Was braucht man als Frau, um sich durchzusetzen?

Imdahl: Generell halte ich fast jede Branche ab einem gewissen Führungslevel in Deutschland für eine Männerwelt. Die Marktforschungsbranche ist hier aber kein extremes Beispiel. Als Frau finde ich es nach wie vor das Schwierigste, die Männer und ihre Codes zu verstehen. Sie agieren in Meetings selbstverständlich mit- und untereinander – als Frau unter Männern (die man leider oft ist) kann man da leicht in Fettnäpfchen treten. Außerdem ist immer noch ein besonders hoher und ungewöhnlicher Einsatz erforderlich. Und diesen Einsatz darf man nicht unter den Scheffel stellen und hoffen, dass man irgendwann entdeckt oder befördert wird. Als Frau muss man lernen zu sagen, dass man eine bestimmte höhere Position will – und auch riskieren, dass man gehen muss, wenn das nicht gelingt. Die wenigsten Frauen tun das, aber fast alle Männer. Man macht sich nicht unbedingt beliebt, wenn man als Frau klar auftritt. Auch das ist etwas, womit man lernen muss zu leben.

marktforschung.de: Welches Ereignis hat Sie beruflich besonders geprägt?

Imdahl: Mehrere: Mein erster Arbeitgeber – eine Unternehmensberatung – hat mich rausgeworfen, weil ich genau das oben genannte tat, nach zwei Jahren eine andere Position eingefordert habe. Dann die Gründung des rheingold salon und damit die Möglichkeit, eben nicht mehr in einem sehr stark männerdominierten Unternehmen zu arbeiten. Und das Schreiben meines Buches, das mir die Freiheit gab, mal am Stück an nur einer Sache zu arbeiten.

marktforschung.de: In welcher Form haben Sie in Ihre Weiterbildung investiert?

Imdahl: Spontan müsste ich fast sagen, gar nicht, wenn man es im klassischen Sinne mit dem Besuch von Seminaren verbindet. Aber ich habe das Gefühl, mich mit jeder psychologischen Studie weiterzubilden. Mein Anspruch ist, immer ein Experte zu sein in den Bereichen, in denen ich forsche und das sind in 25 Jahren ziemlich viele geworden. Den Austausch mit Kollegen über Studien erlebe ich als Weiterbildung. Die Präsentation vor einem Kunden – Weiterbildung, weil ich intensiv reflektiere, wer wie reagiert und ob ich das so erwartet habe. Außerdem sind die Kinder eine permanente Weiterbildung, mit ihrer anderen Sicht auf die Welt und den neuen Dingen, die sie täglich in unser Leben bringen. Aber es gibt auch etwas Typisches: Ich habe mich zur Therapeutin ausbilden lassen, um einen Plan B zu haben, falls das mit dem Unternehmen nicht klappt. Das hilft mir, Unternehmen, Strukturen und Teams einzuschätzen.

marktforschung.de: Stichwort Selbstoptimierung: Heutzutage gilt es ja als verbreitetes Phänomen, dass gerade Frauen es damit leicht übertreiben. Wie ist das bei Ihnen?

Imdahl: Da bin ich ein Kind meiner Zeit. Ich will alles. Beruf, Kinder und möglichst lange möglichst gut aussehen. Als neuer Anspruch kommt dazu, dabei möglichst relaxt zu sein – das haben wir kürzlich in einer Mütterstudie herausgefunden. An den letzten beiden Punkten – Optik und Entspannung – arbeite ich permanent. Glücklicherweise empfinde ich das Investieren in Äußerlichkeiten als Entspannung. Ich laufe gern (optimiert die Figur und entspannt) und ich gehe gern in Wellness- oder Kosmetikbehandlungen (optimiert das Äußere und entspannt).

marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie bei Ihrem Werdegang gefördert hat? Oder ein Vorbild?

Imdahl: Es gab Menschen, die mich inspiriert haben. Ein Philosophie-Lehrer, bei dem ich einen Leistungskurs hatte, ist für einen Großteil meiner Haltung bis heute mit prägend. Ein Dozent, bei dem ich meine Diplomarbeit schreiben durfte ebenso. Natürlich auch unser Psychologie-Professor Wilhelm Salber.

marktforschung.de: Haben Sie Frauen besonders im Fokus, um sie bei Bedarf zu fördern? Wenn ja: wie?

Imdahl: Meistens möchte ich Frauen ermutigen, auf dem Weg Beruf und Familie zu vereinbaren. Der Schlüssel dazu liegt in einer Partnerschaft, die dies zulässt. Viel zu viele Frauen akzeptieren, dass der Beruf des Mannes vorgeht. Das ist für mich eher unverständlich.

marktforschung.de: Frauen können aus dem Berufsleben oft Geschichten von unpassenden männlichen Kommentaren erzählen … Sie auch?

Imdahl: Erfolgreiche und gleichzeitig gut aussehende Frauen machen vielen Männern Angst, das merke ich auch manchmal. Glücklicherweise musste ich noch nicht zu viele Kommentare ertragen. Wenn sie offen ausgesprochen werden, kann man damit ganz gut umgehen, sie zum Beispiel noch weiter steigern oder extremisieren. Viel schlimmer finde ich Intrigen, wenn zum Beispiel hintenherum versucht wird, ein schlechtes Image zu zementieren – aus einer Machtposition heraus, versteht sich. Das habe ich als sehr schlimm erlebt und das habe ich auch mehr als einmal erfahren.

marktforschung.de: Gibt es aus Ihrer Sicht einen Dresscode für erfolgreiche Frauen?

Imdahl: You can never be overdressed or overeducated. Dennoch gibt es meines Erachtens keinen allgemeingültigen Dresscode. Umgekehrt ist es aber auch nicht möglich, immer und überall anzuziehen, was man will. Ich selbst habe immer eine Frau sein wollen und deswegen auch weibliche Kleidung bevorzugt, dabei aber immer auf gute Qualität geachtet. Mir war es immer wichtig, schon durch meinen Auftritt ein Statement zu setzen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass ich selbständige Unternehmerin bin und um jeden Auftrag neu werben muss. Dazu muss mich vor den inhaltlichen Überzeugungsmöglichkeiten erst mal jemand wahrnehmen. Für die Präsentationen in den Unternehmen richte ich mich ein wenig nach den internen Dresscodes, sofern sie mir bekannt sind. Wenn man unsicher ist, dann empfehle ich, sich an das obige Motto zu halten – lieber ein bisschen zu overdressed als underdressed.

marktforschung.de: Was würden Sie anderen Frauen raten, die in der Marktforschung etwas werden wollen?

Imdahl: Zunächst ist es wichtig, mit Leib und Seele das zu tun, was man tun möchte. Wenn ich in einem Unternehmen Karriere machen will, mir also Hierarchien das Wichtigste sind, dann ist Marktforschung vielleicht nicht der geeignetste Weg hierfür. Wenn mich aber wirklich interessiert, was Menschen bewegt, warum sie bestimmte Dinge tun, dann sollte man mit einem Feld in der Forschung beginnen und hier Experte werden. Hier sollte man dann auch viel veröffentlichen und so versuchen, sich einen Namen zu machen. Das habe ich insbesondere auf zwei Feldern getan: Frauenforschung und Werbewirkungsforschung. Das heißt nicht, dass ich nicht viele andere Themen erforscht habe wie Versicherungen, Employer Branding, Food, Handel, Getränke … die Liste ist lang. Ich habe mich aber immer auch gefragt: Was ist bei den Frauen besonders? Und: Wie funktioniert hier die Werbung? Will man in der Marktforschung ‚etwas werden‘, dann muss man genau wissen, was dieses Etwas ist.

marktforschung.de: Vielen Dank!

Das Interview führte Ulrike Schäfer.