Lieber Karneval statt Küche oder Kirche

von lönneker & imdahl rheingold salon

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Lieber Karneval statt Küche oder Kirche

von lönneker & imdahl rheingold salon

Ines Imdahl
– Ein Portrait der Welt am Sonntag

Veröffentlicht am 14.05.2017 | Von Alexandra Iwan

Sie leitet ein Unternehmen, schreibt Bücher, forscht, hält Reden, erzieht vier Kinder, versorgt eine Familie – Ines Imdahl lebt Multitasking. Jeder Tag sieht anders aus. Nur an Karneval, da arbeitet sie nicht.

Ein Leben im Simultanzustand: Ines Imdahl ist als Unternehmerin, Diplom-Psychologin, Werbungsforscherin, Autorin, Kolumnistin und Rednerin vollzeitbeschäftigt. Ihre vier Kinder, 7, 9, 13 und 19, bereiten ihr den zweiten Vollzeitjob. Sie ist anspruchsvoll, was ihre Beziehung und ihr Aussehen angeht. Und damit sind wir schon im Kern der Sache angelangt: „Es gibt weder einen typischen Arbeitstag noch einen typischen freien Tag“, so Imdahl. Seit mehr als 20 Jahren untersucht sie die tiefenpsychologische Wirkung von Werbung. Ines Imdahl ist das weibliche Synonym für eine Ladung komprimierter Energie. Hansdampf in allen Gassen war gestern – heute heißt es besser „Ines am Start“.

Ihre Arbeitstage sind extrem unterschiedlich, sie können schon um sechs Uhr morgens beginnen und im Extremfall nach einer Befragungsrunde um 23 Uhr enden. Der nicht so perfekte Arbeitstag kann auch mal so starten: Sie wacht im Hotel auf und weiß nicht, in welcher Stadt sie ist. Vorteile an diesen Reisetagen: Sie kann laufen. Fast alle Städte Europas hat sie schon im Jogging-Outfit erkundet. Das ist dann ihre perfekte Zeit – ohne das Laufen wäre sie nach eigener Einschätzung vermutlich schon total ausgelaugt. Diese eine Stunde, im Idealfall dreimal pro Woche, ist ihre Zeit. Sie kommt erfrischt und mit neuen Ideen zurück.

Drei Städte in zwei Tagen sind nicht so selten und die Imdahl’sche Seele kommt nicht immer hinterher. Deswegen sagt sie: „Ich bin am liebsten zu Hause.“

An den anderen Tagen müssen die Kinder morgens schnell ihre Schulbrote bekommen, frühstücken und in die Schule geschickt werden. Nach rund sechs Stunden Bürozeit hat sie schon einiges hinter sich: viele Mitarbeitergespräche, Telefonate, E-Mails und Feuerwehr-Einsätze, dann lockt der Nachmittag mit Lateinvokabeln oder Matheaufgaben. Jeder zweite Tag ist ab Mittag für die Kinder reserviert – drei Tage ist sie Vollzeit im Büro oder unterwegs, das sind dann mehr als acht oder zehn Stunden täglicher Einsatz.

Überleben im Multitasking

Perfektion hat für sie an jedem Wochentag eine neue Dimension. Für eine Working Mum ist es manchmal das reine Überleben im Multitasking – das ist dann ein guter Tag. Im Beruf werde sie oft verwundert gefragt: „Sie haben Kinder? Das sieht man Ihnen gar nicht an.“ Man fragt sich, wie man aussieht, wenn man Kinder hat. Besser oder schlechter?

Die andere häufig gestellte Frage lautet: „Wie schaffen Sie das alles? Unternehmerin und vier Kinder?“ Darauf hat sie zwei Antworten, die erste ist: „Ich schaffe es nicht, ich improvisiere bei allem, aber das kann ich so gut, dass es so aussieht, als würde ich es schaffen.“ Die zweite lautet: „Ich bin nicht allein, mein Mann macht das alles auch.“ Das ist für sie absolut zentral, wenige Frauen haben einen Partner, der in jeder Hinsicht Gleichberechtigung lebt. Auch er versorgt in Abwechslung mit seiner Frau die Kinder an den Nachmittagen – ist aber immer erreichbar und viel Arbeit muss mit ins Wochenende genommen werden.

Und genau das vermisst sie auch – die Wochenenden. In den letzten zwölf Monaten gab es davon nicht viele und das erlebt sie als „echtes Versagen“. Die Familie sollte Priorität haben und dennoch ist sie zu oft am Rechner. Aber für die Fragen der Kinder, für Spiele oder kleine Ausflüge in den Zoo nimmt sie sich Zeit – und für das Essen. Einmal am Tag sitzen alle sechs abends am Tisch, das realisieren sie oft zu Hause, wenn ihr Mann kocht oder wenn sie essen gehen. Wenn man sie fragt, was ihr größter Erfolg sei, dann antwortet sie „Meine vier Kinder“, keinen Wert legt sie auf Kochen und Kirche.

Verstehen, warum Menschen tun, was sie tun

Ihre Motivation als Psychologin war immer das große Verständnis, das Verstehen. Warum rauchen die Menschen, obwohl sie wissen, dass es ihnen schadet? Was folgt dem Warum? Ihr konnte das die Philosophie im Leistungskurs nicht erklären, darum hat sie Psychologie studiert und gelernt, dass die Menschen immer zwei Seelen in einer Brust haben. Sie wollen immer mindestens zwei sich widersprechende Dinge gleichzeitig. Unbegrenzt Schokolade essen und abnehmen zum Beispiel.

Den Dingen so richtig auf den Grund zu gehen, das ist für Ines Imdahl zur Mission geworden. Warum ist das so? Warum empfindet jemand so? Sie geht den Dingen immer konsequent auf den Grund, ihre Gründlichkeit ist eine Erfolgsformel: „Schonungslos kreativ“ ist eines ihrer liebsten Komplimente.

Sie sagt von sich selber: „Ich habe das große Glück, dass mich Menschen bezahlen für das, was ich am besten kann. Und ich kann nicht wirklich viel anderes als psychologische Marktforschung. Der Plan B wäre die Therapie gewesen. Ich bin ausgebildete Psychotherapeutin, sage aber heute meist scherzhaft, dass mir mein erster Patient leidtun würde.“

Aus der ständigen Frage nach dem Warum und dem Wunsch, es immer besser zu machen, ist auch ihr Unternehmen, der „rheingold salon“, entstanden: tiefenpsychologische Marktforschung kombiniert mit psychologischer Beratung für Menschen und Unternehmen. Die Menschen stehen für sie im Mittelpunkt. Ein Imdahl-Interview dauert mindestens zwei Stunden, eine Gruppe oftmals vier Stunden. Sie und ihr Team versuchen, die Gedanken und Gefühle der Menschen zu ergründen und nachzuvollziehen.

Werbung als Märchengeschichte begreifen

Am „perfektesten“ war ihr Alltag, als sie vor zwei Jahren ihr erstes Buch geschrieben hat. Drei Monate lang führte sie ein geordnetes, Leben mit viel Tiefgang. Jeden Tag hat sie vier bis sechs Stunden geschrieben und nachmittags hatte sie Zeit für die Kinder. „Werbung auf der Couch“, so der Titel, beschäftigt sich mit modernen Märchen – und hat ihr erlaubt, alle Forschungsgedanken, die in den vielen Jahren gesammelt wurden und nie richtig zu Papier gebracht wurden, einmal aufzuschreiben. Dazu die Autorin Ines Imdahl: „Genau das sollte gute Werbung eigentlich auch tun. Geschichten erzählen, die uns faszinieren, die uns fesseln, über die wir schmunzeln, die wir weitererzählen oder in der heutigen medialen Welt eben liken und weiterleiten – wie früher die Märchen.“ Die Werbung als Märchengeschichte zu begreifen, zeigt, wie viel mehr möglich wäre. Wie wunderbar die Werbewelt sein könnte, jenseits von ober ächlichen Glitzerwelten mit guten handfesten Geschichten.

Für Ines Imdahl waren das Buch und das Schreiben eine große Freude, eine große Erleichterung – nur finanziell leider völlig indiskutabel. Vom Bücherschreiben kann man nicht leben, so Imdahl. Trotz ausverkaufter Auflage war das Projekt nicht kostendeckend. Schon Goethe sagte: „Bücher schreiben muss man sich leisten können.“ Heute ist sie froh, dass sie das probieren konnte.

Aber wie kam sie denn dann zur Marktforschung? Nach einem Berufsstart in der Unternehmensberatung 1996 („Das war nicht meine Nummer“) ist sie zurück in die Forschung gegangen. Nach nur vier Jahren war sie Geschäftsführerin und Teilhaberin – und hat 2011 mit Jens Lönneker noch einmal mit der Gründung des „rheingold salon“ eine neue Vision umgesetzt. So gut, dass sie häufig als Referentin oder Keynote-Speakerin angefragt wird. Und dann auch Presseanfragen: „Manchmal bekomme ich die Termine nicht mehr koordiniert“, lacht Imdahl. Gerade stand sie für sieben Folgen einer neuen WDR-Ratgeber-Serie vor der Kamera – manchmal eine schöne Abwechslung mit Einschaltquoten über zehn Prozent.

„Von Altweiber bis Aschermittwoch arbeite ich nicht“

Für sie nahezu perfekte Tage: Karneval in Köln. „Alle Kinder sind auch infiziert und reden schon Monate vorher über ihre Kostüme“, lacht Imdahl. Sie konnten kaum sprechen und sangen schon die ersten kölschen Lieder: „Von Altweiber bis Aschermittwoch arbeite ich nicht.“ Das wissen Kunden und auch Mitarbeiter. Ihr Lieblingskarnevalsladen: Entlarvt, Zülpicher Straße in Köln.

So sehr liebt sie die Verkleidung, dass sie auch den ersten Vortrag zu ihrer Buchveröffentlichung im Piratenkostüm gehalten hat, aber das hatte vor allem den Grund, dass es noch nie jemand vorher getan hatte, das hatte sie gegoogelt.

Und es ist ihr Motto: „If you do what you always did, you will get what you always got.“ Etwas immer wieder anders zu machen, fasziniert sie. Und sie muss es auch tun, denn ihr Alltag zwingt sie zur ständigen Improvisation.

Sollte sie doch mal Ruhe und Ferien haben, dann an der Ostsee – so oft es geht auch im Winter. Und auf Kuba: ein paar Wochen ohne WLAN – das ist der perfekte Tag!

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