Luxus – Von der Notwendigkeit des Überflüssigen

von Ines Imdahl

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Luxus – Von der Notwendigkeit des Überflüssigen

von Ines Imdahl

Was ist Luxus? Und brauchen wir ihn eigentlich? Ist es nicht etwas, das nur die wirklich Reichen etwas angeht? Oder muss man es in der heutigen Zeit vielleicht anders definieren? Von Ines Imdahl, Diplom-Psycholgin und rheingold Geschäftsführerin
Jahrhunderte lang war ‚Luxus’ in seiner Bedeutung als ‚Prunksucht’ und Verschwendung beinahe ein Schimpfwort. Heute ist das Thema Luxus nicht mehr per se negativ besetzt. Zwar gilt immer noch allgemein das als Luxus, was nicht unbedingt zum Leben notwendig ist oder etwa das, was nicht für jedermann erschwinglich ist. Aber das Wort ‚Luxus’ hat Einzug in die Alltagssprache der Menschen gehalten. Etwas, mit dem man sich heute gern noch auseinandersetzt – insbesondere mit der Frage, wie es gelingen kann, ein wenig davon in den eigenen Alltag zu integrieren.

Aldisierung und Luxus-Shopping stehen im Alltag nebeneinander.

Das ist umso erstaunlicher, als gerade in der letzten Zeit immer wieder die Preisschlachten der Discounter diskutiert werden. Billigangebote also für die ‚Armen’ und Luxus für die Reicheren? Eine solch einfache Aufteilung funktioniert nicht. Verbraucher sind auch nicht generell geizig oder nur auf Luxus aus. Ein- und dieselben Menschen wechseln die Verfassungen abhängig vom Angebot. Sie können einerseits ihr Geld verpulvern und dann wieder eisern sparen.

Eine seelische Notwendigkeit.

Aus psychologischer Sicht ist Luxus aus dem Seelenleben gar nicht wegzudenken. Denn Luxus ist auf viel mehr als nur auf Materielles zu beziehen. Luxus ist beinahe selbst so etwas wie eine ‚seelische Verfassung’ – etwas, das wir uns quasi gönnen müssen, wir können gar nicht anders. Denn unabhängig davon, was als luxuriös empfunden wird – gemeinsam ist fast allen Menschen das Streben danach. In diesem Sinne ist Luxus tatsächlich eine Art ‚Sucht’. Aber es ist durchaus etwas anderes als der Wunsch, reich zu sein. Denn auch mit einfachsten Mitteln versuchen Menschen, sich etwas Besonderes zu schaffen – etwas, das abweicht von dem, was sie sonst haben oder tun. Oder etwas, das sie abhebt von allen anderen. Sie suchen also eine gewisse Form der Exklusivität. Das geht natürlich gut mit luxuriösen Gütern. Aber es ist eben in der heutigen, schnelllebigen Zeit für viele Menschen auch ‚exklusiv’, einmal einen langen, ruhigen Waldspaziergang zu machen, einen schönen Abend zu Zweit zu verbringen oder sich einen gemütlichen Kaffee zu gönnen zwischen vielen Telefonaten.

Luxus ist heute vor allem ‚immateriell’.

Was nun in einer Zeit als Luxus angesehen wird, wandelt sich freilich stark. Viele Güter beispielsweise haben eine Metamorphose vom Luxus zum Standard vollzogen. Waren vor Jahrhunderten Gewürze oder für unsere Großeltern noch Kaffee ‚Luxus’, sind diese Produkte heute etwas völlig Normales. Auch Uhren oder später Fernseher galten als reine Luxusartikel. Heute sind die Letztgenannten unpfändbar und damit zum Massengut geworden. Produkte wie Handys haben die Phase der Exklusivität schon für fast jeden nachvollziehbar schnell durchlaufen.

Für die heutige Zeit ist auffällig, dass viele Menschen bei Luxus auch an Immaterielles denken: besonders angenehme ‚Situationen’ oder entspannte Zustände statt teurer Güter. ‚Dinge’, die ihnen früher in diesem Zusammenhang wohl eher nicht eingefallen wären. Der Begriff Luxus hat sich für die Menschen also auch inhaltlich verändert: Es sind häufiger die einfachen ‚Annehmlichkeiten’ des Lebens, die als Luxus bezeichnet werden. So wird derzeit nicht selten von ‚Luxus’ gesprochen, wenn man sich zum Beispiel einen Moment Pause zu gönnt, etwas in Ruhe genießen kann oder einmal ‚unerreichbar’ ist.

Strebt nach Exklusivität.

Wertvoll und luxuriös ist also immer das, was man sich nicht alle Tage leisten kann – im materiellen wie im ideellen Sinne. Diese Form der Exklusivität gehört unabdingbar zum Luxus dazu. Wenn nämlich das, was man sich als Luxus gönnt, im eigenen, persönlichen Alltag wieder als ‚normal’ empfunden wird oder wenn die exklusiven i-Phones plötzlich alle haben – dann fängt die Suche wieder von vorne an. Schon daran lässt sich Luxus vom einfachen ‚Anhäufen’ von Reichtümern unterscheiden. Auch wenn Luxus physisch vielleicht etwas ‚Überflüssiges’ ist – das Seelische der Menschen sieht im Streben nach Luxus eine unabdingbare Notwendigkeit.

Wenn wir dieser inneren Notwendigkeit, sich immer wieder einmal etwas Überflüssiges zu gönnen folgen, dann erweisen wir uns damit selbst einen guten Dienst. Wir genießen das Leben so wie es eben ist. Und ich habe mal jemanden sagen hören: Luxus ist nur der Wunsch, mit sich selbst befreundet zu sein.

Artikel aus feine Welt vom 12.09.2008