Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin der Initiative Milch, und Jens Lönneker hatten die Gelegenheit, einmal ausführlich mit der Redakteurin Julia Gundelach zur aktuellen Kampagne der Initative Milch sowie zu Konsumtrends und Forschungsergebnissen rund um das Thema Milch zu sprechen. In kaum einen anderen Getränkebereich ist derzeit so viel in Bewegung. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass die w&v das Thema so groß aufgegriffen hat. Folgen Sie dem Link zum Beitrag  (wuv+) oder lesen Sie ihn hier im Wortlaut.

Initiative Milch: Tiktok macht die müde Marke Milch munter.

Milch hat es heutzutage nicht leicht – in Zeiten von bewusstem Konsum und dem Streben nach Nachhaltigkeit. Gerade bei jungen Zielgruppen. Die Initiative Milch möchte sie wieder für das tierische Produkt begeistern. Und schafft das auch – mit viel Musik und einer neuen Kommunikationsstrategie.

„Dinge ändern sich. Geschmäcker. Gesellschaften. Das Klima. Wir alle sind Teil einer großen Transformationsgeschichte.“ Was klingt, wie der Slogan eines hippen Energie-Startups, ist der Einstieg in die Webseite für ein 7.500 Jahre altes Produkt: Milch. „Auch die Milchbranche ist in Bewegung“, liest man weiter. „Und macht bereits viel mehr, als viele denken.“
Das ist dringend nötig, denn die Initiative Milch, die hinter der Webseite steckt, kämpft gegen sich verändernde Konsumgewohnheiten: Der Milchkonsum sinkt, der Pro Kopf-Verzehr von Frischmilcherzeugnissen lag laut Statista 2023 bei rund 82,47 Kilogramm, 2014 waren das noch 93,13 kg.

Ist Kuhmilch noch zeitgemäß?

Nachhaltigkeit rückt in den Fokus, aber Milchproduktion ist ressourcenintensiv, gilt als klimaschädlich und schlecht fürs Tierwohl. Und: Der Markt der Ersatzprodukte boomt; 2023 stieg der Absatz pflanzlicher Milch in Deutschland um 85 Prozent.

Ist Kuhmilch noch zeitgemäß? Ja, sagt die Konsumforschung. Nach einer Untersuchung des Rheingold Salons sind mehr als die Hälfte aller Verbraucher:innen überzeugt, auch in zehn Jahren noch Kuhmilch zu trinken – und sind sich der Vorzüge des tierischen Getränks durchaus bewusst: „Nahrhaft“, „traditionell“, „lecker“ und „reichhaltig“ sind Attribute, die die Deutschen der Kuhmilch am ehesten zuordnen.

Werte, an die das Produkt jetzt anknüpft, um relevant zu bleiben. „Milch hat ein wertvolles Asset, das in den Köpfen der Menschen seit langer Zeit fest verankert ist“, sagt Jens Lönneker, Geschäftsführer und Gründer Rheingold Salon: „Power.“ Die Aufgabe für die Vermarktung sei es jetzt, diese Power so zu transformieren, dass sie modernen Ernährungsgewohnheiten entspricht.
Und das macht die Initiative Milch – mit Produkten, die in der Kommunikation heute eine größere Rolle spielen als früher, also Ayran, Proteinshakes oder Joghurt.

„Mit veränderten Lebensumständen entwickeln sich auch Sortiment und Nachfrage“, sagt Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin der Initiative Milch. „Für die vermeintliche `Post Milk-Generation‘ sind solche Produkte relevanter als die klassische Trinkmilch.“

Alternative Milchprodukte liegen im Trend.

Das heißt also: Junge Menschen wandern gar nicht unbedingt zu pflanzlichen Alternativen ab – sondern oft zu alternativen Milchprodukten.

Die Initiative setzt auch auf eine zeitgemäßere Kommunikation. Dazu gehört eine moderne Webseite, die informiert und mit Mythen aufräumt, Social Media wie ein hipper Tiktok-Account mit ‚POV’s‘ und trendigen Rezepten, sowie der Podcast „Let’s Talk Milch“, wo es um Themen geht wie „Die Kuh ist mehr als ein CO₂-Fußabdruck“.

Im Sommer startete die Kampagne „Milch macht’s“ (Agentur: Fischer Appelt), samt Gute-Laune-Spot, der vor allem jungen Leuten Lust auf Milchprodukte machen soll – und für ein 7.000 Jahre altes Produkt durchaus überraschend ist: Am Küchentisch einer Familie sitzt ein weiß gekleideter Mann, der die veraltete und unbewegliche Milch symbolisiert.
Doch als der Sohn seine Milchpackung öffnet, legt der Gast richtig los und tanzt mit Breakdance-Moves zu „Sing Hallelujah“ (hier: „Sing Hallemuhjah“) am Späti, im Restaurant oder im Fitnessstudio – überall dort, wo Milch heute konsumiert wird. Und das ist nicht nur am heimischen Küchentisch.

Smarte Kreislaufwirtschaft, moderne Tierhaltung

Ging es früher darum zu zeigen, dass Milch groß und stark macht, heißt es jetzt: Milch bewegt sich, hin zu einer smarten Kreislaufwirtschaft und modernen Tierhaltung. Jetzt muss dieses moderne Bild auch in die Köpfe der Verbraucher.
Mit dem Spot sei das gelungen, erklärt Lönneker, der dazu Begleitforschung gemacht hat. Diese zeigt: Die Power der Milch wird erfolgreich in neuem Licht inszeniert, es geht ums Tanzen, die Ausdrucksform der jungen Generation. „Und wer so tanzt, braucht Power.“ Power, die in der Milch steckt.

Begrenztes Werbebudget

Das Budget der Initiative ist zwar begrenzt. Man setzt es taktisch ein, mit aufmerksamkeitsstarken, digitalen Out Of Home-Maßnahmen, Social Assets, die verschiedene Aspekte der Milch in den Vordergrund rücken und Einspielern in ausgewählten Burger King- und McDonald’s-Filialen. Auch auf Spotify läuft die Kampagne im Vorspann des Böhmermann-Podcasts „Fest und Flauschig“.

Wriedt kann sich sogar die Präsenz der Initiative Milch auf einem Festival vorstellen. Influencer kommen ebenfalls zum Einsatz – aber weniger im Sinne klassischer Kooperationen. „Unsere Influencer gehen zu den Landwirten, stellen Fragen und klären auf. Sonst nimmt es die Community nicht hin“, so Wriedt. Die Initiative Milch zeigt also nicht nur, dass es die Milch macht, sondern vor allem auch, was sie eigentlich macht. Das soll vor allem junge Zielgruppen überzeugen, Familien, Menschen, die auf Bodyshaping achten.

„Veganer sind nicht unsere Zielgruppe“, sagt Wriedt. Denn wer aus ethischen Gründen keine tierischen Produkte konsumiert, den wird auch keine noch so gute Kampagne überzeugen. Spannender für die Initiative sind Flexitarier, die Alternativen nutzen, aber nichts gegen Kuhmilchprodukte haben. Was man wann konsumiert, hängt von der Verfassung ab, erklärt Forscher Lönneker.

Die Hafermilch passt ins schicke Café, abends beim Essen mit Freunden darf es dann der teure Bergkäse oder die Schokotarte sein. Milch als gute Ergänzung einer pflanzenbetonten Ernährung – eine zukunftsweisende Positionierung. „Wer macht denn sowas?“, fragen am Ende des Spots zwei Passanten, die den Milch-Tänzer beim Rappen auf einem Heuballen beobachten. „Milch macht’s!“