– wie tief sollen Promis blicken lassen, um attraktiv für Öffentlichkeit und Werbung zu sein.
Derzeit erlebt eine der bekanntesten Filmszenen der 90er Jahre ein Revival. Heidi Klum posiert wie einst Sharon Stone in Basic Instinct ungewohnt schlüpfrig oder besser „Schlüpfer los“. Die Inszenierung ist kein Zufall, denn das Saubermodel plant jeden Auftritt. Gerade weil die Marke Heidi in letzten Zeit nicht mehr vom Glück verfolgt ist: Die Ehe mit Seal gescheitert, die Einschaltquoten von Germanys Next Top Model im Sinkflug. Ob dieser gewagte Versuch, Aufmerksamkeit durch tiefste Einblicke zu erzielen jedoch der beste Weg ist, darf bezweifelt werden.
Dennoch verspürt Heidi Klum etwas Richtiges. Promis, die heute in der Öffentlichkeit Sympathien erwecken, sind keine perfekten, emotionslosen Überwesen mehr. Sie geben etwas Persönliches von sich Preis. Eheprobleme, Cellulite, modische Fehler und jede Art von Fettnäpfchen werden von der Öffentlichkeit geradezu aufgesaugt. Dies geschieht auch, aber nicht nur, aus Schadenfreude. Unperfektes, Skandalöses und Lädiertes verschafft uns Nähe zu den Prominenten. Weil sie sich mit denselben Problemen herumschlagen, sind sie uns irgendwie ähnlich. Gerade das macht die Reichen und Schönen sympathisch und auch werbetauglicher.
Das war nicht immer so. Jahrzehntelang wähnte man Stars gar nicht aus Fleisch und Blut. Greta Gabor, Marlene Dietrich und Fred Astaire waren unerreichbare Wesen, ausschließlich am Sternenhimmel zu bestaunen: Leuchtende Perfektion statt allzu Menschliches. Die Stars sollten zum Träumen anregen, während die Menschen in der Nachkriegszeit mit existentiellen Dingen beschäftigt waren. Traum und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Relevanten Einfluss auf das alltägliche Tun oder die Lebensentwürfe hatten Stars nicht. Es wurde nicht einmal darüber nachgedacht, ob man ebenfalls wie ein Star fühlt. Heute hingegen will man sich mit Prominenten vergleichen, ihnen ähnlich sein. Fast 25% der unter 40 jährigen möchten inzwischen sogar selbst berühmt werden.
Ohne persönliche Geschichten und Einblick in die Privatsphäre sind Promis für emotionalisierende Werbung wenig geeignet. Sie wirken kalt und seelenlos. Heidi Klum wird unbewusst mitbekommen haben, dass ihre übertriebene Professionalität in ihrer Lebenskrise keine wirklich gute Figur mehr macht. Ihre spektakulären ‚Einblicke‘ lassen sie aber kaum menschlicher wirken, sondern nur in die ‚Rolle‘ einer kalten, berechnenden Stone-Kopie schlüpfen. Menschliches, Trauer, kleine Emotionalitäten ständen ihr viel besser zu Gesicht als ‚steinerne‘ Qualitäten und würden Einblicke in andere Intimbereiche vollkommen überflüssig machen.
Eine Handelsblatt-Kolumne von Ines Imdahl
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