Das Interview zum Buch „Warum Frauen die Welt retten werden – und Männer dabei unerlässlich sind“ mit „Frauen in Führung“ von Ines Imdahl und Janine Steeger hier im Wortlaut:

Ines Imdahl und Janine Steeger haben sich bei ihrem gemeinsamen Buchprojekt perfekt ergänzt: 

Ines ist Psychologin und Inhaberin der Marktforschungsagentur rheingold salon, die sie gemeinsam mit ihrem Mann führt. Seit mehr als 25 Jahren untersucht Ines tiefenpsychologisch, wie Frauen fühlen, denken, handeln und in unserer Kultur gesehen werden. Ines hat vier Kinder und lebt mit ihrer Familie in Köln.

Janine arbeitet als Journalistin, Rednerin, Moderatorin. 2015 kündigte sie ihren Job bei RTL und befasst sich seither mit dem Thema Nachhaltigkeit. Sie ist Mitgründerin von futurewoman.de, einer Plattform, die Expertinnen der Nachhaltigkeit mehr Medienpräsenz verschafft. Janine ist Mutter eines Sohnes und lebt mit ihrer Familie in Köln.

In ihrem gerade erschienenen Buch „Warum Frauen die Welt retten werden – und Männer dabei unerlässlich sind“ zeigen die beiden anhand einer tiefenpsychologischen, repräsentativen Studie, dass weibliche Stärken gefragt sind, um die großen Aufgaben der Zukunft wie die Klimakrise zu bewältigen. 

F!F: Mit der Nachhaltigkeit ist es ähnlich wie mit der Diversität: Man muss die Themen dringend angehen. Aber wer zeigt dabei wirklich langen Atem?

Ines: Janine hat mich als Psychologin schon in ihrem erstem Buch zum Thema Nachhaltigkeit befragt: Wie kommt es eigentlich, dass die Menschen alles wissen, aufgeklärt sind – und sich trotzdem anders verhalten? Da haben wir das erste Mal über das Lustprinzip gesprochen. Ein Standardsatz, den ich in dem Zusammenhang sage: Nachhaltigkeit ist umso nachhaltiger, je mehr Lust sie macht. Wenn die Menschen sie nicht mit Verzicht verknüpfen, dann kann sie funktionieren. Was bedeutet das für die Diversität? Den Männern macht es auch überhaupt keine Lust, die Frauen in die Führungspositionen zu lassen. Schon gar nicht, wenn sie das Gefühl haben, das sind so Emanzen, die immer herumnörgeln. Darauf aufbauend haben wir überlegt: Wie könnte das, was typisch weiblich ist, auch Spaß machen für die Männer? 

Janine: Es ist natürlich der einfachere Weg für viele Männer, in ihren Männer-Clubs zu bleiben. Wo sie, plakativ gesprochen, in der Sauna irgendwelche Posten vergeben. Wenn da plötzlich Frauen mit all der Weiblichkeit reinkommen – und eben nicht mit dem Ansatz, ich passe mich euren Maßstäben an, um mitspielen zu dürfen – dann ist das wie eine eiskalte Dusche. Das empfinden viele im ersten Moment überhaupt nicht als Lustgewinn, sondern als Störfaktor. Wir wollen mit unserem Buch zeigen, wie viel Mehrwert auf lange Strecke da drin steckt: neue Blickwinkel, neue Herangehensweisen und auch eine neue Art zu arbeiten, miteinander zu arbeiten. Und dadurch gewisse Ziele zu erreichen. 

„Es geht nicht gegeneinander, sondern es geht nur miteinander.“

F!F: Mit eurem Buchtitel gebt ihr die große Bühne den Frauen. Wie haben Männer darauf reagiert?  

Janine: Ich bin von Hause aus Boulevard-Journalistin, und Ines ist aus dem Marketing genauso klar: Der Haupttitel muss knallen. Gleichzeitig wollten wir im Untertitel zeigen: Es geht nicht gegeneinander, sondern es geht nur miteinander. In den Interviews, die wir mit prominenten Gästen für das Buch geführt haben, habe ich besonders die Männer gefragt, wie es ihnen mit dem Titel ergangen ist. Und die sagten: „Klar, im ersten Moment provoziert er mich. Aber ich habe ihn beim Lesen des Buches verstanden.“ Zumal wir ja nicht wirklich in biologischen Geschlechtern gedacht haben. Sondern es geht um das weibliche Prinzip, von dem Männer genauso profitieren und das sie genauso anwenden können wie Frauen.

F!F: Weibliches Prinzip, männliches Prinzip: Könnt ihr das erklären?

Ines: Wir haben in der Vorrecherche festgestellt, dass die Klischees rund um das Weibliche und das Männliche in den Köpfen heute noch existieren. In den Gesprächen kam zwar ganz oft als erstes: „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ „Müssen wir immer noch über Männer und Frauen reden?“ „Wir stellen nur noch nach Qualifikation ein.“ Fakt ist: Die Leute nutzen solche Phrasen oft, um sich gar nicht richtig mit dem Thema Diversität auseinanderzusetzen. Denn Diversität bedeutet ja: Es gibt nicht nur ein Maß auf dieser Welt. Wir haben aber viele Bereiche gefunden, in denen man klar sehen kann, dass das männliche Maß dominiert. So dass es den Frauen zum Beispiel peinlich ist, wenn sie ihre Tage haben, dass sie also zyklisch und nicht linear funktionieren. Oder dass sie von sich sagen: Da war ich wieder einmal zu emotional. Wir entschuldigen uns dafür, wie wir sind! 

„Das Weibliche und das Männliche existiert als Narrativ. Wir wollen das gar nicht verändern. Sondern wir wollen das Beste aus beiden Prinzipien.“

F!F: Weil Frauen am männlichen Maß gemessen zwangsläufig schlechter abschneiden?

Ines: Genau. Ob das der weibliche Körper oder die weibliche  Stimme ist, die medial tiefer trainiert wird, damit sie nicht so hoch wirkt. Also, wir haben in ganz vielen Bereichen aufgezeigt, dass wir dort ein männliches Maß haben, unter dem Frauen und Männer leiden. Denn wir hatten ja auch Männer in den Interviews, die gesagt haben: Ich kümmere mich doch um meine Kinder! Ich habe dieses Kümmer-Gen auch, das immer den Frauen zugeschrieben wird. Nur wird von mir etwas ganz Anderes erwartet. Ich darf gar nicht sagen, ich möchte auch drei Jahre Elternzeit. Für Frauen wiederum bedeutet das vorherrschende männliche Maß: Wir haben jetzt so viele Jahre Emanzipation hinter uns, und immer noch sind diese Klischees da: zu zyklisch, zu emotional, zu kümmernd, zu komplex, zu kompliziert. All diese Thesen haben wir aufgegriffen: Versuchen wir doch mal, die nicht loszuwerden, sondern zu fragen, was ist daran eigentlich gut? Wieso brauchen die Unternehmen das? Wieso braucht die Welt das? Für Politik, Klima und so weiter. Das ist eigentlich die Story: Das Weibliche und das Männliche existiert als Narrativ. Wir wollen das gar nicht verändern. Sondern wir wollen das Beste aus beiden Prinzipien. Weil wir beides brauchen, um die Welt zu retten.

„Es geht um die gleichwertige Anerkennung für die weibliche Herangehensweise.“

F!F: Also habt ihr aus den negativen Klischees „zu emotional“ oder „zu kompliziert“ weibliche Stärken gemacht. Zum Beispiel?

Janine: Aus „zu kompliziert“ haben wir die These formuliert: „Frauen denken in komplexeren Zusammenhängen und mit mehr Weitsicht“. Das ist ja gerade beim Thema Klimakrise ein absolut notwendiges Tool. Gleichzeitig führt es aber dazu, dass man uns oft so darstellt: Was hat die denn wieder für Probleme, wollen wir nicht erst mal machen und zu einer schnellen Lösung kommen? Interessant finde ich, dass zusammen genommen ein Schuh draus wird: Du brauchst im Team jemanden, der langfristig denkt und auf dem Schirm hat, welche Zielkonflikte gibt es da vielleicht? Gerade beim Thema Klimaschutz haben wir wahnsinnig viele Zielkonflikte. Gleichzeitig brauchst du auch die treibenden Kräfte, die sagen, jetzt kommen wir mal ins Handeln. Insofern wird in der Gemeinsamkeit der beste Weg draus. Es geht aber um die gleichwertige Anerkennung für die weibliche Herangehensweise.

F!F: Ihr habt eure Thesen – zusammen genommen das weibliche Prinzip – sowohl in tiefenpsychologischen Einzelinterviews als auch in einer repräsentativen Studie mit Führungskräften überprüft. 

Ines: Ja, mit einem ganz tollen Ergebnis! Alle Führungskräfte, die wir in den Einzelinterviews befragt haben – nachdem sie zum Teil erst mal gesagt haben, ach, über diese Themen brauchen wir doch nicht mehr zu reden – haben zu hundert Prozent zugestimmt: Das weibliche Prinzip mit seinen spezifischen Stärken wird die Welt retten. Und das hat sich sogar in der repräsentativen Studie gezeigt: 89 Prozent haben auch da gesagt, ja, das weibliche Prinzip wird die Welt retten. Jetzt geht es darum, das Ganze mit viel Spaß umzusetzen.

„Es würde von den Männern auch ein enormer Druck abfallen. Weil sie sich in der Rolle gefangen fühlen: Ich muss immer höher, schneller, weiter.“

F!F: Wo haben die männlichen Interviewpartner dabei Mehrwert für sich gesehen? 

Janine: Seien es die Berater Patrick Bungard oder Robert Franken, eigentlich haben alle gesagt: Empathie, Verletzlichkeit ist das, was die Führungskräfte der Zukunft haben müssen. Also eine ganz wichtige Stärke des weiblichen Prinzips, die auch Männer unbedingt rauslassen müssen, wenn sie gute Führungskräfte sein wollen. Es würde von den Männern auch ein enormer Druck abfallen. Weil sie sich in der Rolle gefangen fühlen: Ich muss immer höher, schneller, weiter. Das haben auch alle in den Interviews gesagt: Ihnen wäre es recht, erfolgreiche Unternehmensführung mit mehr weiblichen Stärken neu zu definieren. So dass sie nicht mehr das Narrativ bedienen müssen: Wir sind nur dann tolle Männer, wenn wir ständig rasend geile Umsätze einfahren.

F!F: Lehnen Frauen diese Arbeitsumgebung ab? Weil sie sich nicht so hart und robust fühlen?

Ines: Das ist genau das männliche Prinzip, was du beschreibst. All die Eigenschaften, die man angeblich braucht, um nach oben zu kommen, sind männlich. Frauen sind weich und rund. Und nicht eckig und robust. Aber das Weiche und Runde, das kann auch was! An manchen Stellen sind das Robuste und das Harte einfach nicht gut, um weiter zu kommen. Übrigens auch dieses „Das trau ich mir nicht zu.“ Das wird den Frauen ja immer so ausgelegt, als ob sie so schüchtern und zurückhaltend wären. Nein, das ist ein Überdenken! Das Zweifeln ist ein Kern des weiblichen Prinzips und motiviert uns, besser zu werden. Bauch wieder zu dick, Hintern wieder… Wir gucken ganz anders in den Spiegel. Deswegen sind Frauen in langen Partnerschaften immer schlanker als Männer.

„Zweifel sind urweiblich sind und minimieren das Risiko, auch für die Männer.“

F!F: Aber wenn Frauen zu einer Beförderung nicht gleich „ja“ rufen, heißt es schnell, sie wollen nicht. 

Ines: Ja, aber dieses Zögerliche bedeutet doch nicht „Ich kann das nicht“. Wir haben nur definiert: Wenn du nach oben willst, musst du sofort sagen: Mach ich, will ich, da gehe ich durch. Du kannst nicht sagen: Ich überlege mir genau den Weg, habe ich dieses berücksichtigt, wie kriege ich meine Kinder betreut, tut das meiner Gesundheit gut? Wenn du das sagst, willst du schon nicht. Quatsch! Unsere Zusatz-These im Buch lautet: Zweifel sind urweiblich sind und minimieren das Risiko, auch für die Männer. Wenn wir sagen: Wir zweifeln jetzt nicht mehr, wäre das schon wieder männlich. Das wollen wir ja gar nicht sein! Ich bin so leidenschaftlich…Ach, jetzt entschuldige ich mich schon wieder dafür.

F!F: Entschuldigen Frauen sich auch, wenn sie „nur“ Teilzeit arbeiten und „zu viel“ unbezahlte Familienarbeit leisten, statt stolz auf ihre Leistung zu sein?

Janine: Dazu haben wir auch tolle Kommentare in den Interviews bekommen. Zum Beispiel von der Unternehmerin Verena Pausder, die sagt: Eigentlich haben wir kein soziales Jahr als Frau, sondern ein soziales Leben und das alles unbezahlt im Grunde. 

„40 Stunden muss man ja nicht in fünf Achtstundentagen denken.“

F!F: Die Care-Arbeit kann man nicht wegdrücken, nicht alle können oder wollen sie delegieren. Wie vereinbart ihr als Unternehmerpaar Familie und Beruf, Ines?

Ines: Ich habe ja vier Kinder, das älteste ist schon über 20, das jüngste zwölf. Aber das Thema Vereinbarkeit war für meinen Mann und mich immer ein großes. Weil ich meinen Beruf immer auch voll ausüben und nicht in Teilzeit gehen wollte, was als Unternehmerin auch schwierig gewesen wäre. Wir haben uns ein Modell im Vorfeld überlegt, was ich auch jedem empfehlen würde. Warum machen wir es denn nicht so: 40 Stunden muss man ja nicht in fünf Achtstundentagen denken. Sondern zum Beispiel abwechselnd in sechs und zehn Stunden. Und sechs/zehn bedeutet, dass immer einer von uns um 14 Uhr zu Hause ist und einen Kindernachmittag hat. Das haben wir die Woche über aufgeteilt. Jeden zweiten Tag lang und damit für einen Kunden vielleicht auch mal abends Zeit. Und an den kurzen Tagen haben wir dann immer Zeit gehabt für Pekip, Hausaufgaben, Schwimmkurse. Das funktioniert ziemlich gut. Sicher auch im Angestelltenverhältnis. Gleitzeit ist ja arbeitsrechtlich erlaubt.

„Dieser perfektionistische Anspruch auf allen Ebenen funktioniert nicht.“

F!F: Ein gutes Beispiel dafür, wie viel relativ kleine Änderungen bewirken können.

Janine: Dazu fällt mir ein Zitat ein, auch von Verena Pausder: Wenn in der Schule Kuchen mitgebracht werden muss, ist ja nur wichtig, dass ein Kuchen da ist. Der muss nicht selbstgebacken sein. Dieser perfektionistische Anspruch auf allen Ebenen funktioniert nicht. Wenn du anfängst, die Dinge auf mehrere Schultern zu verteilen und diesen perfektionistischen Anspruch weg lässt, dann wird langsam ein Schuh draus. Dafür brauchst du nicht wer weiß was für eine finanzielle Unterstützung. Da musst du selber den Kopf öffnen: Was sind gesellschaftlich vorgegebene Denkmuster, in die ich mich habe katapultieren lassen? Und was kann ich einfach mal neu denken?

F!F: Dasselbe gilt für Unternehmen, wenn es um flexibleres Arbeiten geht. Ihr habt euer Buch teils beim Laufen konzipiert oder euch per Whatsapp dazu ausgetauscht.

Janine: Die meisten Arbeitsverhältnisse sind ja so, dass du Vereinbarungen treffen kannst: Was muss in einem bestimmten Zeitraum erledigt sein? Wo und wann ich das mache ist vollkommen egal. Natürlich braucht es zwischendurch unterschiedliche Rahmenbedingungen. Manchmal brauche ich den Austausch, auch den analogen, dann möchte ich gerne ins Büro kommen, gerne in eine schöne Umgebung. Manchmal möchte ich alleine nachdenken und mache das beim Laufen. Ich hoffe, dass wir da durch Corona neue Erkenntnisse gewonnen haben. Beim Schreiben hat sich unser Gefühl jedenfalls noch mal verstärkt: Man kann in vielen Berufen überall arbeiten und gute Gedanken haben.

F!F: Vielen Dank für eure Gedanken.

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