Medien als Spiegel gesellschaftlicher Spaltung

von lönneker & imdahl rheingold salon

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Medien als Spiegel gesellschaftlicher Spaltung

von lönneker & imdahl rheingold salon

Die Medientage München haben unsere Studie ‘Medien zwischen Achtung & Ächtung’ mit der Stiftervereinigung Presse mit Unterstützung des BDZV und der Stiftung Presse-Haus NRZ in einem differenzierten Artikel von Petra Schwegler aufgegriffen. Lesen Sie hier den ganzen Artikel im Wortlaut.

Wir Journalismus bedeutet heutzutage auch ein ständiges Ankämpfen gegen Kritik und Vorwürfe wie „Lügenpresse“ oder „Fake News“. Doch woher rührt diese Unzufriedenheit vieler Menschen mit den Medien, besonders ausgeprägt im Osten Deutschlands?

Der Redaktionsalltag in Deutschland sei weit davon entfernt, ein soziales Abbild der Gesellschaft zu sein. Im Journalismus fehlten vor allem ostdeutsche Stimmen und damit auch deren Sicht auf aktuelle Entwicklungen. Darauf wies Dr. Kristian Kunow, Stellvertretender Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), bei einer Diskussion der #MTM23 hin.

Ein Fakt, der jüngst auch von einer groß angelegten Studie des Kölner Marktforschungsunternehmen rheingold salon bestätigt wurde. Die Stiftervereinigung der Presse mit Unterstützung des BDZV und der Stiftung Presse-Haus NRZ hatte das Werk in Auftrag gegeben. Geklärt werden sollte, wie sich die Kluft zwischen Medien-Akzeptanz und Medien-Aversion erklären und vielleicht auch überwinden lassen kann. Auch stand die Frage im Raum, ob das Vertrauen in die Medien in Ost- und Westdeutschland wirklich so unterschiedlich ist.

Jens Lönneker, der rheingold salon zusammen mit Ines Imdahl gegründet hat und leitet, fasste die wichtigsten Ergebnisse bei einer Präsentation zusammen. Demnach vertrauen 75 Prozent der Menschen in Deutschland mehr oder weniger den etablierten Medien. Doch ein Viertel zählte Lönneker zu den „Medienkritiker:innen“, die wenig oder gar kein Medien-Vertrauen mehr entwickeln. Sie erleben sich demnach in unserer Gesellschaft nicht mehr richtig mitgenommen und zuhause. Und noch mehr: 68 Prozent der Medienkritiker:innen fühlen sich von System und Politik allein gelassen; 42 Prozent im Osten und 30 Prozent im Westen sind bekennende AFD-Wähler und affin für deren Narrative.

Lönneker nannte aufgrund dieser Ergebnisse die „demokratische Basis unserer Gesellschaft“ gefährdet. Zumal westliche Demokratien Massenmedien brauchen, um eine öffentliche Meinungsbildung zu erreichen, die sie breit legitimiere. Jens Lönneker: „Genau dies gelingt den etablierten Medien zurzeit nicht mehr – eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und Legitimierung ist nicht mehr richtig gegeben.“ Die Medien würden zum Spiegel der gesellschaftlichen Spaltung.

Was tun?
Dabei würde rationale Aufklärung gegenüber den Vorbehalten der Medien- und Systemkritiker:innen meist nicht weiterhelfen, betonte Jens Lönneker. Als Grund dafür nannte der Marktforscher tiefe Enttäuschungen beziehungsweise Sorgen sowie den Wunsch, gegenüber bestehenden Verhältnissen aufzubegehren.

Die Studie im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse mit Unterstützung des BDZV zeigte vier Ansätze auf, um gegen diese Stimmung zu wirken:

1. Zuhören: In einer Welt, in der nahezu alle posten und senden, fehlt es an Zuhörenden. Die Medien:kritikerinnen fühlen sich mit ihren Anliegen oft nicht mehr gehört. Zuwendung bedeutet Beachtung.
2. Zukunftsperspektiven bieten: Konstruktiver Journalismus kann hier helfen.
3. Nahbereich ansprechen: Vielen Medienkritiker:innen ist die Flut der Medien und ihr Clickbaiting zu viel. Sie nutzen kaum mehr Medien, sind aber über Formate im Nahbereich ansprechbarer.
4. Regionalität ist Trumpf: Medienkritiker:innen fühlen ihre Anliegen in regionalen Medien tendenziell eher aufgegriffen.

Warum werden Journalist:innen kritisiert und abgelehnt?
Bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN Ende Oktober wurde herausgearbeitet, dass den Medien oft die Nähe zum Publikum fehle. Die rheingold-salon-Studie arbeitete etwa heraus, dass gerade im Osten Deutschlands viele Menschen das Gefühl haben, dass ihr Empfinden und ihre Werte in der Nach-Wende-Zeit oft vom Westen ignoriert wurden und werden.

Wie können ostdeutsche Stimmen stärker in Medien zum Zug kommen? Das Problem sei vor allem, dass zu wenige Nachwuchskräfte aus Ostdeutschland den Sprung in den Journalismus-Beruf schafften, lautete eine Antwort darauf bei den #MTM23. Abhilfe soll das Pilotprojekt „Voices of Brandenburg“ schaffen. Das sechsmonatige Coaching-Programm richtet sich an interessierte Nachwuchskräfte und unterstützt sie dabei, erste Praxiserfahrungen zu sammeln und so größere Chancen zu haben, die Aufnahmeprüfung an einer der führenden Journalistenschulen erfolgreich zu bestehen. Es gehe aber auch um Aufklärung über das Berufsbild selbst, sagte Dr. Kristian Kunow von der mabb. Journalismus müsse von jungen Menschen wieder als echte Karrierechance gesehen werden.

Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell, die zu den Mentorinnen des Projekts zählt, verwies bei der MEDIENTAGE-Diskussion darauf, dass mangelnde Diversität in den Redaktionen auch vielfach sozial begründet sei. Für viele junge Menschen aus benachteiligten Schichten sei der Journalistenberuf nicht relevant, weil es für sie in erster Linie darum gehe, die Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Zudem würden Vorbilder fehlen, die zeigen, dass man es trotz widriger sozialer Umstände schaffen könne, im Journalismus Karriere zu machen.

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