Nachhaltigkeit nicht nur draufpappen.

von lönneker & imdahl rheingold salon

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Nachhaltigkeit nicht nur draufpappen.

von lönneker & imdahl rheingold salon

Haltungsmarketing ist ein Hypethema. Aber warum? Unternehmen könnten doch auch mit dem Produktnutzen werben. Ines Imdahl, Psychologin und Gründerin des rheingold salons, gibt Antworten darauf, wie man es machen sollte – und wie nicht.

Ein Interview von Juliane Paperlein – zuerst hier erschienen auf horizont.net.

Purpose Marketing boomt. Warum ist es für Werbungtreibende so spannend?
Purpose ist seit Beginn der Krisen ein riesiges Hypethema in den Unternehmen geworden. Viele Menschen haben sich mit der Sinnfindung beschäftigt, mit Fragen wie: Macht mir mein Job noch Spaß? Ist mein Arbeitgeber noch richtig ausgerichtet? Diese Welle kam unter dem Namen Purpose bei den Unternehmen an und führte dazu, dass sie Themen wie Diversity, Nachhaltigkeit oder Body Positivity besetzt haben. Doch das sind für ein Unternehmen genauso wenig Purposes wie Wachstum. Es ist ein Hygienefaktor.

Was ist denn Purpose im engeren Sinne?

Purpose ist schlicht der Unternehmenszweck. Und der darf in Deutschland nicht sein, Geld zu verdienen, sondern es muss darum gehen, Kunden einen Mehrwert zu bieten. Wenn jemand zum Beispiel ein Gerät entwickelt, um Nägel in die Wand zu schlagen, und es Hammer nennt, schafft dieses Unternehmen einen Mehrwert, weil der Alltag der Menschen mit dem Hammer etwas leichter wird. Das gilt für Hammer, für Tütensuppen und für Parfum. Parfum erleichtert den Alltag der Menschen beispielsweise, indem sie sich in ihrer Haut wohler fühlen. Wenn wir heute in Unternehmen hineingehen, können viele Mitarbeiter bestenfalls die Markenpositionierung benennen, aber nicht mehr den Mehrwert, den sie für die Menschen liefern.

Eigentlich ganz einfach. Wo gehören dann die Nachhaltigkeitsthemen hin?

Sie sind Unternehmensziele. Unternehmen sind nicht auf der Welt, um nachhaltig zu sein, sondern um etwas anzubieten, das den Menschen Mehrwert und Sinn bringt. Sie müssen sich im Wettbewerb differenzieren und da wird dann häufig die Nachhaltigkeit nach vorne geschoben. Schwierig wird es, wenn die Nachhaltigkeit nur draufgepappt wird, denn ich kann nur das verkaufen, was auch da ist. Stimmen außen und innen nicht überein, spüren es die Menschen sofort – sowohl diejenigen in der Organisation als auch die draußen. Das sehen wir deutlich in unserer Forschung.

Also eher Vorsicht bei Haltung in der Werbung?

Nicht unbedingt. Haltungswerbung zahlt sich langfristig aus, wenn ich sehr durchgängig zu meinen Werten, zu meinem Sinn, stehe, auch im Abverkauf. Die UN hat insgesamt 17 ESG-Ziele festgelegt, von Gesundheit über Bildung, saubere Energie bis hin zu Geschlechtergleichheit. Es geht darum, das Passende fürs eigene Unternehmen zu finden.

Sobald man klare Kante zeigt, ist der nächste Shitstorm aber oft nur ein paar Klicks entfernt. Zum Beispiel bei Budweiser, die im April mit der Transgender-Influencerin Dylan Mulvaney gearbeitet haben und diese Zusammenarbeit lösten, als ein Empörungssturm der konservativen Verwender losbrach.

War das Haltung oder Anbiederung? Ich würde sagen, klare Anbiederung. Es ist eher ein typisches Beispiel, wie Haltungswerbung nicht geht. Es wirkt so, als habe Budweiser willkürlich ein Thema herausgegriffen, das die Gesellschaft bewegt, ohne eine Verbindung zum eigentlichen Unternehmenszweck herstellen zu können. Haltungsmarketing hat hier nicht funktioniert, weil es nichts mit der eigenen Haltung zu tun hatte. Man muss eine gute Geschichte erzählen können. Sich irgendwie an einen Trend zu hängen, ist keine Haltung. Haltung kann übrigens auch bedeuten, unbequem zu sein, Meinungen einzunehmen, die nicht dem Mainstream entsprechen.

Gewinn und Marktanteil von Anheuser-Busch sind im 2. Quartal 2023 massiv zurückgegangen. Da müsste man doch eher raten: Finger weg.

Unsere Forschung zeigt: Verbraucher vergessen Skandale jedweder Art leider schnell wieder, weil Menschen in einer bestimmten Form der Bequemlichkeit unterwegs sind und ihre Produkte gerne weiternutzen wollen. Sie wollen den Unternehmen vertrauen, dass sie es richten, die guten sind. Die letzten, die übrig sind. Sie glauben nicht mehr an Politik und wollen, dass Unternehmen in punkto Weltretten immer einen Schritt voraus sind, immer ein bisschen besser als sie selbst. Deshalb schielen sie auch nicht mehr so auf das Greenwashing – weil sie merken, wie schwierig es ist, das eigene Verhalten zu verändern.

Besteht die Gefahr, dass die Konsumenten angesichts der vielen Haltungskampagnen ermüden?

Ja, sehr. In unserer letzten Studie haben wir festgestellt, dass die Leute sagen: Nachhaltigkeit steht überall drauf und man weiß gar nicht mehr was wahr ist und was nicht. Das trifft dann auch die Unternehmen, bei denen ESG-Ziele zur DNA gehören. Man muss den wirklich guten Unternehmen helfen, sich durchzusetzen. Das ist mein Sinn, das will ich.